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Institut für Musikforschung

Teilsammlung Fritz Degel: Gitarren

Kurzer Abriss der Geschichte

Die Herkunft der Gitarre ist nicht endgültig geklärt. Fest steht, dass ihr Name wohl auf die griechische kithara zurückgeht, die wiederum der arabischen qitara ihren Namen gab. Beide scheiden als Vorläufer aus organologischen Gründen aber aus. Die Gitarre ist seit dem 13. Jahrhundert in Europa belegt, so werden in den "Cantigas de Santa Maria" von Alfonso el Sabio eine guitarra morisca und eine guitarra ladina gezeigt, wobei letztere mit Zargen und nach innen gebuchteter Korpusform eine gewisse Ähnlichkeit mit einer heutigen Gitarre besitzt. Die Vorläufer der modernen Gitarre aus dem 16. Jahrhundert in Spanien haben gewisse Gemeinsamkeiten mit den anderen Instrumenten der Renaissance, die mit Bünden ausgestattet waren. Aber statt fester Metallbünde und einfacher Saiten haben die Vihuela und die ersten Gitarren aufgeknüpfte Darmbünde, leicht gespannte doppelte Saitenchöre aus Darm, die einen Ton erzeugen, der mehr an eine Laute erinnert als an eine moderne Gitarre. Man spielte aus Tabulaturen, wobei die Vihuela ein Instrument der höfischen Gesellschaft war, die Gitarre aber mehr den Charakter eines Volksinstruments besaß.

Die Autoren der Renaissance betonen den gleichen Aufbau von Vihuela und Gitarre. Als hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal wird die Art der Besaitung angeführt. So schreibt Juan Bermodo, dass man bei einer Vihuela nur den obersten und untersten Chor zu entfernen brauche, um eine Gitarre zu erhalten. Allerdings sei diese sehr viel kleiner als eine Vihuela. Beide Begriffe wurden wechselseitig verwendet und in der Folgezeit entstand ein Wirrwarr von Bezeichnungen wie guiterre latine, guitarra saracenica ,vihuela da penola, viola, quintaria, ghiterna, lutina und chitare, um nur einige Bezeichnungen zu nennen. Die Vihuela war allerdings nur in Spanien und Süditalien verbreitet und erlebte nur eine kurze Blütezeit bis zum Ende des 16. Jahrhunderts.

Die Gitarre erfreute sich dagegen bereits großer Beliebtheit und wurde in Spanien um 1600 zum Nationalinstrument, indem es die bis dahin dominierende Laute verdrängte. Nach Bermudo war die Stimmung des ursprünglich vierchörigen Instruments   g g1  c1c1  e1e1  a1a1. Ab den 1650er Jahren tritt eine fünfsaitige doppelchörige Gitarre auf, die als "guitarra spagnuola" ein sehr beliebtes Instrument an den europäischen Fürstenhöfen wurde. Ihre Stimmung entsprach den fünf hohen Saiten der heutigen Gitarre: Aa  dd1  gg  hh  e1e1.[8][429, Kap. Gitarre]

Der meist flache Boden und die seitlichen eingezogenen Zargen des Korpus wurden und werden aus Rosenholz, Nussbaum, Ahorn oder Palisander, die bis zu 2,4 mm dünne Decke aus Fichte, Tanne oder Zeder gefertigt. Das Griffbrett und der aufgeleimte Querriegel als Saitenhalter bestehen meist aus Ebenholz. Das Instrument besitzt meist fest eingelassene 19 Metallbünde, der zwölfte Bund liegt an der Grenze zwischen Korpus und Hals. Der Wirbelhalter ist leicht nach hinten geknickt, die Saiten sind an hinterständigen Schraubwirbeln befestigt. Die heutige Mensur schwankt zwischen 66 und 56 cm. Unter die Decke wurden bis um 1800 quer zur Maserung der Decke verlaufende Balken eingeleimt, die die Saitenspannung aufnehmen und die Resonanz verbessern sollten. Später wurden diese fächerförmig angeordnet.[20]

Nachdem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre exklusive Stellung an den Fürstenhöfen zu schwinden drohte, trennte man sich von der antiquierten Notation in Tabulaturen und schrieb von da an im Violinschlüssel. Die Kompositionen sind dabei eine Oktave höher notiert als sie klingen. Außerdem wechselte man von der barocken doppelchörigen Besaitung zu Einzelsaiten und erweiterte den Tonraum durch Hinzufügen einer zusätzlichen tieferen Basssaite.

Carulli, Aguado und Sor verfassten die ersten Lehrwerke für die klassische sechssaitige Gitarre im 19. Jahrhundert. Francisco Tarrega beschritt mit innovativen Griff- und Anschlagstechniken neue Wege, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollendete der spanische Gitarrenbauer Antonio de Torres die Gitarre der Romantik, indem er ihr die heutige Form und die heutigen Abmessungen verlieh.

Heute ist die Gitarre in all ihren Variationen und Abarten das am meisten gespielte Musikinstrument auf der Welt.
Nebenstehend meine Gitarre, eine japanische Hirade (Takamine) aus dem Jahr 1980.

Tonbeispiel [58]
Tonbeispiel  [66]

Gitarre mit Steckwirbeln

Das Instrument auf der linken Abbildung habe ich in Prag erworben. Es scheint sehr alt zu sein, es finden sich aber keine Hinweise auf den Hersteller, es könnte aber aus böhmischer oder sächsischer Produktion stammen. Das Binding ist mit kleinen Perlmutteinlagen verziert, ebenso das Schallloch. Auffälliges Merkmal sind die hinterständigen Holzwirbel, die auf ein höheres Alter schließen lassen. Auch das dunkle Holz, aus dem Korpus und Decke bestehen, ist unüblich.

Tonbeispiel [59]

 

Wappengitarre

Die rechts abgebildete Wappengitarre stammt aus deutscher Produktion. Ihr Name kommt von der Form des Korpus, die an ein Wappen erinnert. Die symmetrische Form mit dem typisch gestalteten oberen Teil und den beiden speziell gestalteten Schallöffnungen findet sich auch bei Mandolinen, die daher auch die Bezeichnung Wappenmandoline tragen.

 

Hawaii - Gitarre(?)

Die links abgebildete Gitarre hat eine sehr unübliche Form: die Seiten verjüngen sich vom breitesten Teil aus zum Hals zu in konischer Form und weisen nicht die für Gitarren sonst typischen Einbuchtungen auf.

Im Pariser Musikmuseum und im Museum der Musikinstrumentenhochburg Mirecourt habe ich zwei Instrumente gesehen, die eine fast identische Form aufweisen. Im Unterschied dazu sind aber beide nach dem Gelas - System der doppelten Resonanzdecke gebaut. Sie werden beide als "guitare hawaiienne" bezeichnet. Ich vermute, dass mein Instrument eine Version mit normaler Schalldecke ist, das als Nachbau dieser Vorlagen wohl ebenfalls in Frankreich gebaut wurde.

Die rechts abgebildete Doppelhalsgitarre wird als Kontragitarre oder wegen ihrer oftmaligen Verwendung auch als Schrammelgitarre bezeichnet. Dieses Instrument verfügt über einen zweiten Hals mit 7 frei schwingenden Basssaiten, die den Tonraum erheblich nach unten erweitern. Als Vorläufer dieser Bauweise sind wohl die Bass- oder Erzlauten anzusehen. Auf Grund der enormen Zugkraft, die die vermehrte Saitenzahl ausübt, hat die Gitarre eine justierbare Metallstange im Korpus befestigt. Die Saiten sind an einem verbreiterten Querriegel auf der Decke befestigt und verlaufen zu den beiden miteinander verbundenen Kopfplatten, in die die Holzwirbel eingelassen sind.

Diese Gitarrenform ist das typische Bassinstrument der Wiener Schrammelmusik mit Zithern und Geigenbesetzung.


Tonbeispiel Schrammelmusik[60]
Tonbeispiel Kontragitarre[60A]

Reisegitarre und Backpacker - Gitarre

Diese beiden Gitarren sind so konzipiert, dass sie leicht beim Wandern oder Reisen transportiert werden können. Sie verzichten dabei weitgehend auf das Resonanzvolumen, was natürlich klangliche Auswirkungen hat. Ansonsten sind sie was Spielweise und Mensur anbetrifft in etwa mit der herkömmlichen Gitarre identisch.

Das linke Instrument kommt aus Deutschland, das rechte wurde in Amerika von der Firma Martin gebaut, die diese Bauform auch auf Mandolinen angewendet hat.

Tonbeispiel [61]

Gypsy Guitar und Schlaggitarre

Die abgebildeten Instrumente werden hauptsächlich im Jazz verwendet.

Django Reinhardt machte den Jazz, in der Ausprägung wie ihn die Zigeuner spielten, populär. Er verwendete eine Gitarre im nebenstehenden Stil. Der Korpus und die Mensur waren relativ groß, mit einem typischen Cutaway und einem ovalen Schallloch. Es hat sich als Hauptinstrument des Gypsy Jazz zusammen mit der Geige durchgesetzt. [798]

Die rechte Gitarre ist ein Epiphone-Nachbau aus Indien. Die Bauform ist angelehnt an die legendäre L-5 Gitarre von Gibson. Es besitzt F-Schalllöcher, einen verstellbaren Steg und eine von der Archtop-Decke abgehobene Schlagplatte, ähnlich auch wie die Mandolininstrumente im Bluegrass. Der Korpus ist ziemlich flach. Diese Bauform wurde überwiegend von Jazzgitarristen vieler Stilrichtungen bevorzugt.

Tonbeispiel  Gypsy Guitar [64]
Tonbeispiel  Schlaggitarre[67]

Resonatorgitarre (Dobro)

Mit dem Jazz wurde die Musik der 1920er Jahre  in den Staaten lauter und populärer. Die Gitarre musste sich gegen die Blechbläser und das lautere Banjo behaupten. Mitte der 1920er Jahre entwickelte deshalb John Dropyera, ein slowakischer Einwanderer, die Resonatorgitarre als eine  Möglichkeit der mechanischen Tonverstärkung. Elektrische Tonabnehmer zur Verstärkung gab es damals noch nicht.

In England hatte der Instrumentenbauer Stroh bereits eine Möglichkeit gefunden, Töne über eine Membran aufzunehmen und über einen Schalltrichter verstärkt wiederzugeben (siehe Strohvioline). Bei der Resonatorgitarre wird ein ähnliches Prinzip verwendet: unter der Decke werden dünne Aluminiumzylinder angebracht, die durch die schwingenden Saiten der Gitarre ebenfalls zum Schwingen gebracht werden. Da diese Schwingungen aber stärker sind, erfolgt auch eine Verstärkung des Tones an sich.

Man unterscheidet die Instrumente nach der Zahl ihrer Resonatoren und nach dem Material, aus dem der Korpus gefertigt ist. Gitarren mit Holzkorpus und Resonator(en) bezeichnet man auch als Dobro. Das rechte Modell verfügt über einen Ganzmetallkorpus.

Gute Informationen über Resonatorgitarren finden sich hier.

Tonbeispiel [62]
Tonbeispiel [65]

Bassgitarre / Lap Steel Guitar

Elektrobässe werden seit den 1950er Jahren gebaut; sie sind eine platzsparende Alternative zum sperrigen Kontrabass. Da sie andererseits aber auch elektrischen Strom und einen Verstärker benötigen, wich man auf die akustische Bassgitarre aus.
Das linke Instrument hat vier Saiten in Quartstimmung wie beim Kontrabass, einen Cutaway, Palisanderkorpus und Fichten/Tannendecke mit einem Spielschutz. Da die meisten Akustikbassgitarren nicht sehr durchdringend sind, verfügt auch dieses Instrument über einen Tonabnehmer.

Die erste Steel-guitar wurde 1932 in Amerika gebaut. Die Bezeichnung kommt von der Spielweise her: das mit Stahlsaiten bezogene Instrument wird auf den Schoß (lap) gelegt. Meist wird sie im Slide-Stil gespielt. Sie wird dabei nicht mit den Fingern der linken Hand abgegriffen, sondern die Saiten werden mit einem Metallstäbchen oder -röhrchen oder mit einem Flaschenhals, der über einen Finger gestülpt wird, im Glissando gespielt. Es entsteht dabei der singende Ton, der hauptsächlich in der typischen Hawaii - beziehungsweise in der amerkanischen Countrymusik verlangt wird. Die Lapsteel - Gitarre rechts wird deswegen manchmal auch als Hawaiigitarre bezeichnet. Diese wird über ein elektrisches System verstärkt, es gibt aber auch rein akustische Instrumente.

Acoustic bass Tonbeispiel [63]  

Craviola

Diese zwölfsaitige Gitarre wurde in Brasilien bei der Firma Giannini hergestellt (es gibt auch die sechssaitige Variante). Die Stimmung ist wie bei der klassischen Gitarre, allerdings werden hier die Saiten verdoppelt. Die unteren vier Saiten werden dabei mit einer zusätzlichen Oktavsaite versehen, die oberen h und e´Saiten werden unisono gedoppelt. Die Saiten sind so gut wie immer aus Stahl, herkömmliche Saiten z.B. aus Nylon schwingen zu weit aus, was zu unerwünschten Berührungen und Störgeräuschen führen kann.

Der Boden und die Zargen des Instruments sind aus Palisander, die Decke aus Tanne/Fichte. Die Form dieser Baureihe ist sehr ungewöhnlich: die rechte Seite des Korpus ist gitarrenähnlich eingezogen während die linke eine einfache Rundung besitzt, die eher an ein Mandoloncello erinnert. Diese Form wurde 1969 von dem brasilianischen Gitarristen Paulinho Nogueira entwickelt, der auf Grund des größeren und anders geformten Korpus neue Klangeigenschaften hervorrufen wollte. Da diese seiner Meinung nach zwischen der in Brasilien gespielten viola caipira (brasilianische Gitarre) und einem cravo (portug:. Kielflügel) liegen sollten, wählte er die Bezeichnung Craviola.

Tonbeispiel  [68]