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Institut für Musikforschung

Prof. Dr. Martin Just

Geboren 1930. Musikalische Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik, Stuttgart (J. N. David, A. Erfurth, H. Keller, G. Kozlik). Studium der Musikwissenschaft (W. Gerstenberg, G. Reichert, G. von Dadelsen), Anglistik und Romanistik in Tübingen. Promotion 1960. Seitdem, zunächst als Assistent, an der Universität Würzburg tätig. Habilitation 1972. 1973 Ernennung zum Universitätsdozenten, 1978 zum Professor. Seit 1995 im Ruhestand.

1981-1986 Schriftleiter der Zeitschrift Die Musikforschung. Seit 1982 Mitglied des Herausgebergremiums der New Josquin Edition. Die Schwerpunkte von Martin Justs wissenschaftlicher Arbeit liegen im 15./16. Jahrhundert, in den Bereichen Klassik und Romantik und in Fragen zur musikalischen Analyse.

Festakt zum 85. Geburtstag von Martin Just am 22. April 2015.

Hrsg. von Peter Niedermüller, Cristina Urchueguía und Oliver Wiener.
Würzburg: Ergon 2001

Quelle und Interpretation stehen zueinander in einem komplementären Verhältnis, das grundsätzlich jede geisteswissenschaftliche Arbeit strukturiert. Die divergierenden Bestimmungen und Ausdifferenzierungen der beiden Begriffe in den einzelnen Disziplinen haben dazu geführt, daß sich ein breites Spektrum unterschiedlicher, teilweise auch inkompatibler Ansätze und Methoden ausgeprägt hat. Die Gleichsetzung von Quelle und Textträger, die die musikwissenschaftliche Begriffsbestimmung bis heute dominiert, bedeutet eine nicht in jedem Falle zuträgliche Verkürzung, da sie Gefahr läuft, das Quellenstudium in die Schranken rein hilfswissenschaftlicher Erwägungen zu verweisen und die Interpretation - die musikalische Analyse also - zur Exegese eines von der Quelle gänzlich abgehobenen Werkes zu verklären.

Diese Problematik fokussierend, bietet der hier präsentierte Band Fallstudien zu unterschiedlichsten Epochen der Musikgeschichte - von der frankoburgundischen Chanson des 15. Jahrhunderts bis zum Jazz. Eine Gruppe von Beiträgen setzt am materiellen Aspekt des Quellenbegriffs an: Am Beginn jeder Quellenerfassung steht die Frage nach der Zuverlässigkeit und Authentizität dessen, was bezeugt ist. Auf diese aufbauend stützt sich unsere Kenntnis von Werkgenese und Textgeschichte. Dieser Befund kann in Hinblick auf die Bestimmung der Textgestalt, sei es für editorische oder analytische Fragestellungen fruchtbar gemacht werden. Eine andere Gruppe konzentriert sich auf Fragen des Kontextes: Dieser kann zum einen zur Typologisierung übergeordneter Merkmale dienen (Stil, Gattung, kulturelle Identität), zum anderen Anstöße zur Interpretation durch Phänomene der Rezeption geben, und zwar in der Untersuchung von intertextuellen Bezügen und dem durch sie signalisierten historischen Wandel von Verstehensprozessen.

Die Beiträge zu diesem Thema scheinen wie kaum andere geeignet, die wissenschaftliche Arbeit von Martin Just zu würdigen. Seine Untersuchungen von Manuskripten des 15. und 16. Jahrhunderts gehören zu den grundlegenden Arbeiten der musikalischen Kodikologie. Parallel dazu nehmen Analysen musikalischer Werke in einem sehr breiten historischen Rahmen einen herausragenden Platz in seinen Schriften ein. Es liegt daher nahe, diese beiden Facetten von Justs Studien nicht nur separat zu betonen, sondern auf das Wechselspiel einzugehen, das sich aus deren Verbindung ergibt.

Inhalt

Clemens Goldberg: Werk, Quelle, Analyse. Betrachtungen zum Chansonnier Nivelle de la Chaussée.

Martin Staehelin: Eine musikalische Danksagung von Heinrich Isaac. Zur Diskussion einer Echtheitsfrage.

Martin Picker: A spurious Motet of Josquin, a Chanson by Gombert. and some related Works: A Case Study in Contrafactum and Parody.

Cristina Urchueguía: Wahr oder falsch? Die Zuschreibungen in Gonçalo de Vaenas Arte novamente inventada.

Winfried Kirsch: Das Bild des Beters im Zeitalter des Humanismus. Zu einigen Pater noster- Ave Maria-Vertonungen von Josquin Desprez bis Orlando di Lasso.

Horst Leuchtmann: Einige Bemerkungen zu Lassos kompositorischen Möglichkeiten im motettischen Satz.

Frank Heidlberger: Von San Marco zur Veroneser Accademia. Andrea und Giovanni Gabrielis Instrumentalcanzonen im Kontext philologischer und editionskritischer Methoden.

Werner Braun: Adam Kriegers Schmelzer-Vokalisierungen.

Beate Carl: Hans-Georg Gadamers philosophische Hermeneutik: Eine Hilfe zur Interpretation und zum Verstehen von Kunstwerken?

Oliver Wiener: Intertext als analytischer Kontext. Zwei Fallstudien: Mozarts Streichquartette KV 421 (417b) und KV 465.

Peter Niedermüller: Musikalische Form und Prozeß. Einige Paralipomena zum Kopfsatz von Beethovens Sonate op. 31,2.

Petra Weber-Bockholdt: Textkritik und Werktreue. Von den Schwierigkeiten, die Beethoven der Edition einiger seiner Werke bereitet hat.

Wolfgang Osthoff: Schöpfer überm Sternenzelt - Mente infinita. Zu Beethovens Kanon Te solo adoro WoO 186.

Hansjörg Ewert: Jenseits des Schubert-Lieds. Ein Versuch zur musikalischen 'Gedankenlyrik'.

Reinhard Wiesend: Eine Fehlleistung Hanslicks.

Martin Zenck: Classicism vs. the "New German School". About the Political Codes "Conservative" - "Progressive" in the Music of the Second Half of the 19th Century with Regard to Brahms' Op. 1 and Liszts Piano Sonata in B Minor.

Christoph Wünsch: Stilelemente des Jazz in Südafrika.

Schriftenverzeichnis Martin Just 1990-2000.