Intern
Institut für Musikforschung

Station 2: Cairo: Psychedlic Network festival; Türkische Musik

Hier befinden wir uns vor dem Jugendkulturhaus Cairo. Das Jugendhaus Cairo ist ein Veranstaltungsort, der die Diversität des Würzburger Musiklebens vielleicht am besten repräsentiert. Das 1810 erbaute Gebäude diente in der Vergangenheit unter anderem als Frauengefängnis, als Treffpunkt der Hitlerjugend, als Quartier für die Regierung Unterfranken. Seitdem 1987 das Cairo hier gegründet wurde, bietet es als offene Einrichtung der Stadt Würzburg einen Raum für vielfältige künstlerische Ausdrucksformen und kreativen sowie interkulturellen Austausch.

Hier findet zum Beispiel jährlich das Psychedelic Network Festival statt. Das Psychedelic Network Festival ist mit ca. 150 Besucher*innen ein recht kleines Festival, das hier jährlich im November stattfindet. Es spielen sowohl regionale als auch internationale Bands, die alle aus dem Psychedelic-Rock, Jazz-Rock, Space-Rock, Krautrock und ähnlichen Musikrichtungen kommen. Veranstaltet wird das Festival seit seiner Gründung im Jahr 2007 von Horst Friedrich, der neben dem Festival zahlreiche Konzerte in Würzburg organisiert und den lokalen Plattenladen H2O sowie das Musiklabel Sunhair Music führt. Obgleich es sich um ein kleines Festival handelt, so ist das Psychedelic Network Festival doch sehr international aufgestellt. Nicht nur die auftretenden Künstler*innen kommen aus der ganzen Welt, auch das Publikum reist teilweise von weit her an, um das Festival hier in Würzburg zu besuchen. Durch das Festival wurde Würzburg zu einem zusätzlichen Treffpunkt der Psychdelic-Szene. Zugleich trägt das Psychedelic Network Festival mit der Mischung aus regionalen Bands, wie z.B. „Zement“, und internationalen Bands, wie z.B. „Sendelica“, zur musikalischen Vielfalt in der Stadt bei. So besuchen viele nicht nur das Festival, um ihre liebsten Bands zu sehen, sondern auch um neue Bands kennenzulernen.

Ein Großteil der Besucher*innen kommt jedes Jahr hierher und verbringt das gesamte Festivalwochenende im Cairo. Hieraus entsteht auch die Besonderheit des Festivals: die Mischung mehrerer Generationen sowie die familiäre Atmosphäre. Von 20-Jährigen bis zu 60-Jährigen sind hier alles Altersgruppen vertreten. Das Festival ist zudem geprägt von einer ausgelassenen und zugleich entspannten Stimmung sowie dem aktiven Austausch zwischen den Künstler*innen und dem Publikum. Die Künstler*innen mischen sich bei Konzerten anderer Bands unter das Publikum, sie sind immer wieder an der Theke anzutreffen und tauschen sich vor allem an den Merchandise-Ständen mit den Festivalbesucher*innen aus. Doch nicht nur Musik spielt hier eine Rolle: Die analogen psychedelischen Lichtershows des Würzburger Lichtkünstlers Kosmik Klaus runden das Festival ab und verleihen ihm ein besonderes Flair. Im November 2022 soll das Festival in die 13. Runde gehen, nachdem es aufgrund der Pandemie zweimal verschoben werden musste.

Weitere Infos: Psychedelic Network (sunhair-music.de)

Daneben bietet das Cairo aber im Kontext von interkulturellen Musikabenden eine Bühne für unterschiedlichste Musikstile und Künstler*innen. So zum Beispiel auch der Band Elfida Türkü Dostları, die Würzburg mit traditioneller türkischer Volksmusik sowie mit dem populären Stil der Özgün Müzik bereichert und damit an eine längere Tradition des interkulturellen Austauschs anschließt. Türkische Musik hat im deutschsprachigen Raum bereits eine lange Geschichte. So finden sich Instrumente und Stilelemente türkischer Janitscharenmusik in Musikstücken von Mozart, Haydns und Beethoven wider sowie in der Militärmusik und in den fastnächtlichen Spielmannszügen. In jüngster Vergangenheit brachten aber vor allem sogenannte Gastarbeiter*innen, deren Kinder und weitere Einwanderergenerationen unterschiedliche türkischen Musiktraditionen mit nach Deutschland und etablierten hier ganz eigene neue Musikszenen. Beispielhaft hier ist auch die Band Derdiyokler, deren Bandgründer Ali Ekber Aydoğan in den 1970ern nach Deutschland kam und hier zuletzt zwar nicht in Würzburg aber im nahe gelegenen Nürnberg lebte. Die Band spielte unter anderem Die kreative Mischung aus Disco, Psychedlic Rock Krautrock, alevitischer Lieder und anatolischer Volksmusik war stilprägend und steht Beispielhaft für die Vielfältigkeit und Lebendigkeit der türkischen Musik. Die Band trat als Hochzeitsband auf und wurde aber auch für ihre gesellschaftskritischen Texte bekannt. Lieder wie „Liebe Gabi“ und „Hip Hop Dazlakar“ thematisierten bereits in den 1980er Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung sowie die Enttäuschungen die Gastarbeiter*innen in Deutschland aber auch nach ihrer Rückkehr in die Türkei erfahren mussten. Die Musik hat bis heute unzählige Interpret*innen in und Deutschland und der Türkei beeinflusst.

 

In Würzburg ist aktuell unter anderem die bereits erwähnte Band Elfida Türkü Dostları aktiv. Zu ihrem Repertoire gehören türkische Volkslieder sowie Stücke im Stil der Özgün Müzik. Letztere verschmilzt türkische Volksmusik mit verschiedenen Elementen westlicher Pop- und Rockmusik und ist insbesondere für ihren politischen Charakter bekannt. Das zentrale Instrument der Band ist die Langhalslaute Saz, welche teils im melodischen Wechsel, teils begleitend die Sängerin unterstützt. Ergänzt wird die Saz und der Gesang durch weitere Instrumente wie etwa die für die Türkei typische zweifellige Röhrentrommel Davul, die südamerikanische Kistentrommel Cajon oder die Gitarre.

Weitere Infos:

 

Recherche und Text: Schmidt (Psychedlic Network Festival) / Epperlein & Günauer (türkische Musik & Cairo)