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Institut für Musikforschung

Teilsammlung Fritz Degel: Mandolinen, Mandolen

Kurzer Abriss der Geschichte der Mandoline

Lauteninstrumente mit langem Hals und rundem Korpus tauchen erstmals in den Kulturen Mesopotamiens und Westasiens ca. 2300 v. Chr. sowie in Ägypten ca. 1600 v. Chr. auf. Hier finden sich ab ca. 1300 v.Chr. seltene Abbildungen von Kurzhalslauten. Mit den arabischen Eroberungszügen und der Ausbreitung des Islams kam die Kenntnis von Lauten auch nach Europa. In diesem Zusammenhang ist der oud zu erwähnen,der als Vorläufer der europäischen Laute gilt. Ebenso ist die qithara von Wichtigkeit, eine kleine Lautenabart, die in Europa als Quinterne adaptiert wurde. In Frankreich war sie als guiterne, in England als gittern, in Spanien als guitarra und in Italien als chitarra bekannt. Ab ca. 1300 wurde sie häufig gespielt und auch ikonographisch dargestellt. Sie war kleiner als die normale Laute und hatte eine typische Sichelform von Hals und Kopf. Man benutzte sie größtenteils als Serenadeninstrument und wurde oft im Zusammenhang mit dem Leben in Wirtshäusern erwähnt. Daneben wurde sie aber auch an den Höfen des Adels gespielt und Anfang des 16. Jahrhunderts von Sebastian Virdung und Martin Agricola in ihren Lexika beschrieben. 1555 beschreibt Juan Bermudo in seiner "Declaracion de instrumentos musicales" die spanische bandurria, die auf Grund ihres Namens und ihrer Quart - Quintstimmung als ein Vorläufer der mandora (auch mandore) der Spätrenaissance gelten kann. Deren erste Beschreibung liefert Jacques Cellier 1585 in einer Handschrift für König Heinrich V., Michael Prätorius gibt 1619 in seinem " Syntagma musicum" für dieses Instrument  g  d1 g1 d2 als Stimmung an und dass es "mit zwei oder mehr Finger, mit einem Federkiel... oder mit einem einzigen Finger" gespielt wird. 1636 schreibt Mersenne in seiner "Harmonie universelle" dass die mandore normalerweise vier Einzelsaiten besitzt. Bei fünf oder sechs Saiten werde sie "mandore luthée" genannt. Sie habe neun Bünde und der Körper sei aus Tannenspänen zusammengesetzt bei einer Gesamtlänge von ca. 50 cm. Die Stimmung wird  mit c1 g1 c2 g2 angegeben, wobei die höchste Saite aber auch f2 oder e2 sein konnte. Die Spieltechnik ist identisch mit der bei Prätorius angegebenen. Mersenne betont, dass man auf ihr fast alles spielen könne, was man auch auf der Laute spielt, wobei der Klang der mandora stärker sei. Ab etwa 1670 scheint das Instrument in England, Frankreich und Deutschland außer Mode gekommen zu sein.

Etwa zur gleichen Zeit gibt es Belege, dass in Italien ein Instrument aufkommt, das als mandola bezeichnet wird. Tabulaturen dieser Zeit sind für ein vierchöriges Instrument mit der Stimmung e1 a1 d2  g2 erhalten. Der berühmte Geigenbauer Antonio Stradivari aus Cremona hat eine Reihe von Instrumenten geschaffen, deren größere und tiefer gestimmte Modelle er als "mandola grande" und die kleineren wohl in der Diminutivform als "mandolino corista" bezeichnete. Tabulaturen und Noten der Zeit sind für beide Instrumente aber gleich gehalten. 1677 erschien das erste gedruckte Werk dafür von Pietro Ricci. Die meisten vor 1700 geschriebenen Werke sind nur mit Einsatz der Finger spielbar. Vom Anfang des 18. Jh. bis etwa 1750 wird das Repertoire für mandola und mandolino, die auch als "Mailänder" oder "Lombardische" Mandola/Mandoline bezeichnet werden, immer umfangreicher. Seit Ende des 17. Jh. war auch die soziale Akzeptanz der Instrumente beträchtlich gewachsen, ihr Erlernen war ein wichtiges Element in der Ausbildung junger Adliger. In Brescia war das Studium der Mandoline ein Unterrichtsfach an den Gymnasien. In Bologna wurde seit der Renaissancezeit bei den Gelagen der Adligen traditionell Tafelmusik gespielt. Im Laufe des 18. Jh. wurden Harfe und Laute von mandola, mandolino und violino verdrängt. Die wichtigsten Kompositionen für die Lombardische Mandoline vor 1750 stammen aus der Feder von Antonio Vivaldi. [38] Diese Form der Mandoline wurde während des gesamten 18. Jh. im Norden Italiens weiter gespielt, auch zur Blütezeit der Neapolitanischen Mandoline. Allerdings werden in der heutigen Praxis Vivaldis Konzerte meistens mit dieser später entstandenen Form interpretiert, teilweise sogar auch mit Instrumenten in flacher Bauweise.[38A]

Diese ist um 1750 aus einer Mixtur verschiedener Komponenten in Neapel entstanden, worauf der Name schon hinweist. Die Bezeichnung könnte sich von der Lombardischen Mandoline herleiten, die ja schon 100 Jahre bekannt war. Die Form könnte vom colascione, einer zwei bis dreichörigen Laute türkisch - arabischen Ursprungs stammen, die im Süden Italiens schon länger beheimatet war. Die Doppelsaiten aus Metall könnten von der hier ebenfalls gespielten 10-saitigen chitarra battente übernommen worden sein und die Quintenstimmung gg dd1 aa1 e2 von der Violine. Antonio Vinaccia soll die ersten Instrumente dieser Art gefertigt haben, die sich durch ihren tiefbauchigen Korpus, einer Wirbelplatte (und keinem Wirbelkasten) und einer zum unterständigen Saitenhalter hin abgeknickten Decke sowie der Geigenstimmung von der Mailänder Form unterschieden.[33A]

Das Instrument wurde in dem Jahrzehnt nach 1750 bei Komponisten sehr geschätzt, Namen wie Barbella, Cecere, Cauciello und Gervasio sind damit verknüpft, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Kompositionen bestanden meist aus in galantem Stil geschriebenen Sonaten für Mandoline und (nicht beziffertem) Generalbass, Duos und Divertimentos für zwei Mandolinen, Trios für zwei Mandolinen und  Generalbass (manchmal auch als "Sinfonia" bezeichnet), Konzerte für Mandoline und Streicher und Generalbass sowie Orchesterwerke, bei denen die Violinen durch Mandolinen ersetzt wurden wie bei Piccinini. Nach dieser kurzen Blütezeit der Mandoline als Instrument des Adels in Süditalien erscheint das Instrument nun in der Volksmusik, wo es für das nächste Jahrhundert das prägendste Element darstellte. Im Gegensatz dazu verlagerte sich der Schwerpunkt des Interesses an der Neapolitanischen Mandoline in den Folgejahren nach Franreich, hauptsächlich nach Paris und Lyon sowie an den kaiserlichen Hof nach Wien. An den adeligen Höfen, wohin es zahlreiche Künstler aus Italien gezogen hatte, zählte sie zu den bevorzugten Instrumenten. Die Lombardische Mandoline kam im Schaffen von Giovanni Hoffmann um 1800 in abgewandelter Form noch einmal zu kurzer Blüte, bevor sie in Vergessenheit geriet.[33] In den sechziger Jahren des 20. Jh. wurde sie im Bestreben einer möglichst originalgetreuen Wiedergabepraxis barocker Kompositionen wieder entdeckt und gespielt.

Namhafte Komponisten zogen die Neapolitanische Mandoline in ihr Schaffen ein: W.A. Mozart, Ludwig van Beethoven, Johann Nepomuk Hummel, Nicolo Paganini, Raffaele Calace und Bartolomeo Bortolazzi komponierten für sie. Später verwendet sie Gustav Mahler in seinen Sinfonien 7 und 8 und im "Lied von der Erde" ebenso wie Schoenberg (Variationen op. 31), Strawinski (Agon), Prokofieff (Romeo und Julia) und Webern. Am Ende des 19. Jahrhunderts setzte mit der Wandervogelbewegung eine Renaissance des Instruments vor allem in Deutschland ein. Seine kleinen Abmessungen, der brillante Ton, die Bünde, die ein sauberes Spiel erleichterten und die Möglichkeit, Geigenstimmen nachzuspielen, machten sie zu einem idealen Instrument für Amateurmusiker. Sie fand Eingang in die Zupforchester, die sich zunächst als erweiterte Mandolinenquartette nach dem Vorbild des klassischen Streichquartetts gegründet hatten. Etwa zur gleichen Zeit wurde sie in den Vereinigten Staaten vor allem durch O. Gibson umgestaltet und wurde  das dominierende Instrument im Bluegrass Volksmusikstil. Auch in der irischen und brasilianischen Volksmusik und in Folk - Rockbands spielt sie eine gewisse Rolle. Die heutigen Zupforchester in Deutschland und Europa können auf ein breites Repertoire an Literatur zurückgreifen, sei es auf Bearbeitungen aus der Blütezeit der Mandoline im 18. Jh. als auch auf moderne Kompositionen, die eigens für diese Besetzungen geschaffen werden. Außerdem bieten sich Transskriptionen verwandter Gattungen an, z.B. aus der Musik spanischer Tunagruppen (Bandurria, Laud und Gitarre) oder auch Bearbeitungen für russische Volksmusikbesetzungen.

Barockmandoline

Dieses Instrument wurde in Belgien von dem Instrumentenbauer Vervaer gefertigt. Der Korpus ist alternierend aus zwei verschiedenen Hölzern zusammengesetzt,die Form des Korpus erinnert an die mittelalterlichen Vorfahren aus der Lautenfamilie. Die sechs Saitenpaare sind an einem Querriegel befestigt und verlaufen über das kurze Griffbrett mit zwölf Bünden, die teilweise auf der Decke liegen, zu dem leicht nach hinten geneigten Wirbelkasten mit fein gearbeiteten Wirbeln. Das Schallloch ist als Rosette ausgebildet, das direkt aus der Decke herausgearbeitet ist. Im Griffbrett sind Intarsien eingearbeitet.

Gespielt wurde die Barockmandoline (auch als Mailänder oder Lombardische Mandoline bezeichnet) ursprünglich in der Art einer Laute mit den Fingern. Später setzte sich die Spieltechnik mit einem Federkielplektrum durch oder aber mit einem Plektrum, das aus Kirschbaumrinde geschnitzt war, um einen weicheren Ton zu erzielen.

Tonbeispiel [36]
Tonbeispiel  Barockmandoline [36A]

Neapolitanische Mandoline 1

Im Korpus befindet sich ein Zettel mit der Inschrift "Jul. Heinrich Zimmermann  Leipzig No 2822 St. Petersburg Moskau Riga". Dieser Zettel überklebt den originalen Hersteller, von dem noch zu lesen ist "Napoli, 35 Strada Formale 35".

Dieses schöne Instrument  kam ursprünglich aus Russland, wo es vermutlich in dem Zupforchester gespielt wurde, welches Anfang des 20. Jahrhunderts in adeligen Kreisen am Zarenhof existierte. Der Korpus, das Griffbrett und die Wirbelplatte sind reich mit echten Perlmuttintarsien belegt. Der Korpus besteht aus 28 gekehlten Spänen.



Tonbeispiel [35]
 

Neapolitanische Mandoline 2

Im Innern ist die Aufschrift  "G.Puglisi Reale & Figli, Strumenti musicali a corda Catania  anno 1907-08".
Auch diese Mandoline soll aus dem Umfeld des Zarenhofes stammen. Das ganze Griffbrett ist mit Perlmuttstreifen belegt, ebenso besteht das Binding aus einzelnen Perlmuttstückchen. Um das Schallloch ist eine Bootsszene mit Segel dargestellt, die ebenfalls aus Perlmutt gearbeitet ist und der Schallöffnung eine ungewöhnliche Form verleiht. Leider hat sich die Decke in diesem Bereich etwas verworfen. Der Korpus besteht aus 26 einzelnen, gekehlten Spänen.

Tonbeispiel [34]

Tonbeispiel [37]

Neapolitanische Mandoline 3

Im Innern befindet sich ein Zettel mit der Angabe "Comm. Prof. Raffaele Calace & Figlio, Napoli, anno 1965, Signatur".
Der Korpus des Instruments besteht aus 37 schmalen, gekehlten Rippen. Wie viele Mandolinen besitzt es einen hölzernen Saitenschutz im Bereich des Saitenhalters. Der Kopf läuft in einer Schnecke aus, die Mechaniken werden von der Rückseite her durch eine verzierte Abdeckung verborgen. Das Griffbrett ist im Bereich der E-Saiten durch das Schallloch hindurch verlängert. Es ist unter der Decke verbunden mit einem Querbalken, welcher bis zu den beiden verstärkten oberen Seitenspänen führt. Wahrscheinlich dient dieses System der Stabilität der Decke. In diese ist ein Kratzschutz (wahrscheinlich aus Kunststoff) eingelegt, Sattel und Steg sind ebenfalls aus Kunststoff oder Knochen gefertigt.

Raffaele Calace (1863 - 1934) war ein gefeierter Virtuose auf der Mandoline und dem Liuto cantabile, ein dem Mandoloncello verwandtes Instrument. Seine Konzerttätigkeit führte ihn durch die halbe Welt. Daneben tat er sich auch als Komponist [39] von über 200 Kompositionen für Mandoline solo, für Mandolinenquartette und für Mandoline mit wechselnden Begleitinstrumenten hervor. Bekannt geworden sind auch seine Schulen für Mandoline und Liuto. Ebenso bekannt war er aber auch als einer der besten Mandolinenbauer seiner Zeit. Schon sein Vater Antonio betrieb den Instrumentenbau, auch sein Enkel Raffaele jr. führte die Tradition fort, von ihm stammt vermutlich das nebenstehende Instrument. Die Firma besteht bis auf den heutigen Tag.

Luigi Embergher (1856 - 1943) war ein weiterer weltbekannter Mandolinbauer, der die sogenannte römische Mandoline vervollkommnete. Durch Hinzufügen eines Nullbundes, einem V-förmigen Hals, die Verlängerung des Griffbretts führte er Neuerungen ein, die teilweise auch von Calace übernommen wurden. Eine besonders dünne Decke mit einer speziellen Verbalkung sorgte für den typischen Klang seiner Instrumente.


Embergher Mandoline  Tonbeispiel [40]

Lautenmandoline

Der Korpus des Instruments ist flacher ausgebildet und ähnelt mehr dem einer Laute. An dieses Instrument erinnern auch die schön geschnitzte Rosette, die ins Schallloch eingesetzt ist sowie der Wirbelkasten. Ebenso ist die Decke in einer Ebene und hat nicht den abgeknickten Bereich zum Saitenhalter zu.

Wandervogelmandoline

In die Decke ist hier ein Motiv intarsiert, welches an die Zeit des Jugendstils erinnert. Es weist auf die Verwendung in der Wandervogelbewegung hin.


Tonbeispiel [46]

Portugiesische Mandolinenform

Dieses in Deutschland gebaute Instrument besitzt ähnlich wie eine Gitarre Zargen. Der Hals ist breiter und nicht V - förmig, sondern gerundeter. Der Boden ist halbrund ausgebildet und aus unterschiedlich gefärbten Hölzern dekorativ gestaltet. Der Resonanzkörper ist insgesamt breiter, aber flacher als bei der neapolitanischen Form. Obwohl das Volumen des Klangkörpers der portugiesischen und der neapolitanischen Form sich nicht sehr unterscheiden, ist der Klang beider Instrumente doch veschieden: die halbrunde Form erscheint weicher im Klang. Bei den Mandolen war und ist diese Bauform besonders beliebt, denn deren Vorteil besteht darin, dass das Instrument leichter zu halten ist als die tiefbauchige süditalienische Form.


Tonbeispiel [47]

Deutsche Form

Die typischen Merkmale sind die flachen Zargen und der flache Boden, weshalb diese Instrumente auch als Flachmandolinen bezeichnet werden. Die Form des Korpus variiert von mandel-  bis tropfenförmig. Diese Instrumente waren wegen ihrer meist einfachen Bauweise auch preisgünstig herzustellen. Sie erfreuten sich wegen des geringen Platzbedarfs beim Wandern und in den Arbeiterorchestern der Wende zum 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Das rechte Instrument besitzt an Stelle eines Schalllochs eine aus der Decke ausgestochene Rosette. Bei beiden Instrumenten ist die Decke nicht abgeknickt.

 

Mandriola

Bei diesem Instrument handelt es sich um eine Mandriola in Flachbauweise. Der Boden ist flach und nicht aus Spänen zusammengesetzt, die Zargen sind schmal, die Decke ist ebenfalls flach ausgebildet und besitzt einen Spielschutz (wahrscheinlich aus Kunststoff). Was sie von der normalen Flachmandoline unterscheidet, ist die Besaitung: sie besitzt vier Saiten mit jeweils drei Chören. Diese Bauform wird auch als "sizilianische Mandoline" bezeichnet. Sie sind relativ schwierig rein zu stimmen und erlauben kaum eine sehr schnelle Wechselschlagtechnik. Diese Besaitung wurde auch auf andere Mitglieder der Mandolinfamilie übertragen: sie findet sich auch bei Mandolen und Mandolinettos und in der portugiesischen Variante.

Das rechts abgebildete Instrument würde ich als Gitarrmandriola bezeichnen. Es ist eine Mandoline in Gitarrenform, aber mit der dreichörigen Besaitung einer Mandriola. Teilweise werden solche Instrumente vor allem im englischsprachigen Raum auch als Mandolinetto bezeichnet. Diese besitzen aber Doppelsaiten.

                                                                      
Tonbeispiel [70]   

Die Mandolinenfamilie

Ähnlich wie bei den Violinen hat sich auch bei den Mandolinen eine Familie herausgebildet, die vom Piccoloinstrument bis zum Bass reicht. Dabei kann jedes Mitglied dieser Familie in den verschiedenen Bauformen vorkommen: in der neapolitanischen, der portugiesischen, der deutschen Bauart oder im Bluegrass-Baustil. Die Piccolomandoline steht eine Quinte höher als die normale Sopranmandoline und ist wie folgt gestimmt: d1d1   a1a1   e2e2   h2h2


Tonbeispiel  Mandolinenquartett[57]

 

Altmandoline

Die Altmandoline entspricht der Bratsche in der Violinfamilie. Sie klingt eine Quinte tiefer als notiert. In den groß besetzten Mandolinorchestern und in Mandolinquartetten hatte sie zunächst ihren Platz gefunden, wurde aber von der Mandola verdrängt. Diese lässt sich für Mandolinisten leicht erlernen, weil sie lediglich eine Oktave tiefer klingt, aber genau so gegriffen und notiert wird wie eine Mandoline. In englisch sprechenden Ländern wird sie als Tenormandola bezeichnet.

Das nebenstehende Instrument war als Altmandoline angeboten worden. Ich vermute, dass es sich dabei aber um eine Flachmandola handelt, weil die Mensur sehr groß bemessen ist.


Tonbeispiel [49]

Mandolen

Die Mandola ist ein fester Bestandteil von Zupforchestern und Mandolinquartetten, sie spielt aber auch als Soloinstrument und als wichtiges Instrument in der irischen Folklore und im amerikanischen Folkstil eine Rolle. Mandolen sind Mandolinen größerer Mensur, die eine Oktave tiefer gestimmt sind. Sie werden im Violinschlüssel wie die kleineren Schwestern notiert, klingen aber eine Oktave tiefer G G   d d   a a   e1e1

Die linke Mandola 1 ist von der Bauweise her gesehen eine neapolitanische, die rechte Mandola 2 eine Flachmandola.

Das neapolitanische Instrument ist mit echten Holzeinlegearbeiten im Bereich des ovalen Schalllochs versehen, der Korpus besteht aus einzelnen Spänen. Die Besaitung ist doppelchörig, die Decke abgeknickt.

Das rechte Instrument in Flachbauweise ist einfach gehalten. Auffällig sind die relativ hohen Zargen, Boden und Decke sind flach gehalten. Die Besaitung besteht aus 4 x 3 Saitenchören und entspricht einer Mandriola. Von der Mensur her könnte es sich um eine Mandola handeln, wahrscheinlicher aber ist, dass es sich dabei um eine thüringische Waldzither handelt, wie sie von Heym in Suhl/Thüringen gebaut wurde. (siehe Kapitel Europa-Mitte)

Diese Mandola ist an die portugiesische Bauweise angelehnt. Es verfügt über einen halbrunden Boden, der von auseinanderstrebenden Spänen geformt wird. Die Zargen als besonderes Kennzeichen sind geschwungen, der Saitenhalter durch einen geschnitzten Schutz abgedeckt. Dieses Instrument lässt sich auf Grund der sehr kleinen Mensur sehr leicht greifen. Das Griffbrett verläuft auf der E-Saite über das Schallloch hinaus.   


Tonbeispiel [44]
Tonbeispiel  [45]

Mandoloncello (Liuto)

Als sich in Italien im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die "circoli mandolinisti", Musikergruppen mit Mandolinen und Mandolen gründeten, brauchte man Bassinstrumente nach dem Vorbild der Streichquartette. In dieser Zeit tritt das Mandoloncello in Erscheinung, das in der Stimmlage dem Violoncello entspricht und folgende Stimmung aufwies: CC GG dd aa. In den ersten Mandolinquartetten und Zupforchestern in Deutschland war es häufig als Bassinstrument vertreten, wurde aber bald von der Gitarre abgelöst.

Tonbeispiel [50]

Raffaele Calace erweiterte das Instrument durch eine doppelchörige e1 - Saite und nannte es Liuto moderno oder Liuto cantabile, für das er mehrere Kompositionen schrieb und auf dem er ein anerkannter Virtuose war.

Das hier abgebidete Instrument verfügt über einen flachen Boden und seitliche Zargen, die sich vom Griffbrett zum Saitenhalter hin verjüngen. Im Innern klebt ein Zettel mit der Aufschrift Nr. 6. Es hat fünf doppelchörige Saiten, die an einem massiven Saitenhalter aus einem gepunzten, rötlichen Metall angebracht sind, wahrscheinlich eine Messinglegierung. Das auffälligste Merkmal ist aber die doppelte Resonanzdecke. Wie dem Schriftzug auf der Decke (siehe oben) zu entnehmen ist, geht das Instrument auf Lucien Gelas zurück. Er ließ sich das System der doppelten Resonanzdecke im Jahr 1905 in Paris patentieren, meist sollen die Instrumente aber in Mirecourt, dem Hauptort des Instrumentenbaus in Ostfrankreich bei den Firmen Gaudet und Patenotte gebaut worden sein. Bei diesem Instrument handelt es sich auf Grund der fünf Saitenpaare um ein Liuto cantabile, das aus einem Mandoloncello umgebaut wurde. Auch viele Mandolinen und Gitarren, für die das Prinzip zweier übereinanderliegender Decken zunächst erfunden worden war, sind noch erhalten.

In meiner Sammlung befindet sich noch ein zweites Mandocello, wie man das Instrument im englischen Sprachgebrauch nennt. Es ist 1010 mm lang, 330 mm breit, hat eine Korpusdicke von 80 mm, vier doppelchörige Saiten und eine Mensur von 650 mm. Als besonderes Merkmal besitzt es ein dreieckiges Schallloch.

Tonbeispiel1 Mandoloncello [42]

Tonbeispiel2  Mandoloncello [43]

Bassmandoline

Dieses tiefste Instrument der Familie, das sich im Zupforchester allerdings nie hat so recht durchsetzen können, hat im Korpus einen Zettel mit der Aufschrift  "Starkton Instrument Edelklang" und über einem Wappen "Schutzmarke". Es ist in portugiesischer Bauweise gefertigt mit halbrundem Boden, der aus neun Spansegmenten besteht. Die Decke ist flach und trägt ebenfalls den Schriftzug Edelklang. Zwischen rundem Schallloch und Steg findet sich ein Motiv aus der Wandervogelära.Von einem massiven, metallenen Saitenhalter verlaufen die vier Saiten über einen ebenso massiven, aber durchbrochenen Steg über das leicht gebogene Griffbrett mit 18 Bünden zu den seitlichen Mechaniken. Diese sind so gearbeitet, dass die Wirbel festgestellt werden können.
Die Stimmung der vier Einzelsaiten ist normalerweise mit der Stimmung des Kontrabasses  E A d g  identisch.

Als Bassinstrument hat sich in den Zupforchestern fast durchgängig der Kontrabass aus der Violinfamilie auf Grund seines größeren Klangvolumens durchgesetzt

Sonstige Formen

Reisemandoline und Harfenmandoline

Diese beiden Instrumente habe ich in Andorra erworben.

Die Reisemandoline ist von neapolitanischer Bauart. Sie hat einen sehr schmalen Korpus, der aus verschiedenen Spänen zusammengesetzt ist. Die Decke ist abgeknickt und der Schlagschutz ist mit floralen Mustern verziert. Der Ton ist auf Grund des sehr kleinen Resonanzkörpers relativ dünn.

Die Harfenmandoline dagegen ist in Flachbauweise ausgeführt. Der geschwungene Korpus ist an seinem dünneren Ende mit einem zweiten Schallloch versehen. Der Klang des Instruments ist ziemlich voluminös. Diese Form scheint der Harp - Guitar nachempfunden zu sein.

Mandolinetto

Für Mandolinen in Gitarrenform hat sich allgemein die Bezeichnung Mandolinetto durchgesetzt. Diese Form war am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in Amerika und England sehr beliebt. Eine sehr schöne Übersicht findet sich bei Gregg Miner.

Dieses Mandolinetto stammt aus England. Es ist um das Schallloch schön verziert und auf der Rückseite ganzflächig mit einem Bild versehen, welches eine weibliche Figur zeigt, die ein Instrument spielt. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Fotografie, die man überlackiert hat. Der Klang eines Mandolinettos ist nicht so kraftvoll wie der einer normalen Mandoline, das Timbre ist eher weich.


Tonbeispiel [47]

Jazzmandoline

Das linke Instrument würde ich als Jazzmandoline bezeichnen, weil es eine Schlagplatte besitzt. Ähnlich wie Mandolinen der Firma Framus, die in portugiesischer Form mit tropfenförmigen Schalllöchern gebaut wurden, fanden sie im Jazz und in der Unterhaltungsmusik Verwendung. Durch die flache Bauweise in Kombination mit einem Halteband konnten die Instrumente gut im Stehen gespielt werden.

 

Das rechte Instrument, Mandolinetto 2, das in England wohl ebenfalls um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden sein könnte, zeigt in seiner Form eine recht seltene Abwandlung des Gitarrenkorpus.

Gipsy Jazz Mandolin

Das links nebenstehende Instrument habe ich in Bulgarien erstanden.
Es ist breiter als die herkömmlichen Mandolinettos, zeigt aber noch die Grundform. Der flache Boden ist aus Palisander, die Decke aus Fichte/Tanne. Auffallend ist das Cutaway, das sonst nur bei Gitarren üblich ist. Auch das zweite Schallloch an der linken Flanke ist unüblich. Das Instrument erinnert mich an die Gitarren, die Django Reinhardt gespielt hat. Deswegen möchte ich diese Mandoline als Gipsy Jazz Mandolin bezeichnen, auch auf Grund ihres Herkunftslandes.

Amerikanische Mandolinen

Nachdem eine spanische Folkloregruppe nach der Weltausstellung in Paris eine Tournee durch die Vereinigten Staaten im Jahr 1880 unternahm, war das Interesse an dieser Form von Musik und Musikinstrumenten geweckt. In ihrem Gefolge unternahmen mehrere italienische Musikgruppen in der Mandolinquartettbesetzung solche Konzertrundreisen, die die Mandoline in der neapolitanischen Form bekannt machten. Bis dato war sie nur in den Kreisen italienischer Einwandererfamilien gepflegt worden, die Instrumente wurden aus Italien und Deutschland importiert.

In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts war das fünfsaitige Banjo das vorherrschende Instrument in den Oststaaten, das in vielen Banjoklubs gepflegt wurde. Ab den 90er Jahren fand ein gewisser Wandel statt: die Mandoline kam immer mehr in Mode, fand Eingang in die Clubs und ersetzte das Banjo zunehmend. Es enstand ein rasch wachsender Markt für die neapolitanische Mandoline, die nun von einheimischen Instrumentenbauern gefertigt wurde (z.B. Lyon & Healey).

Orville Gibson schließlich entwickelte nach dem Vorbild des Geigenbaus die typisch amerikanische Form um die Wende zum 20.Jahrhundert. 1902 überzeugte er eine Gruppe lokaler Geschäftsleute von seinen Ideen und es wurde die "Gibson Mandolin Guitar Manufacturing Co Ltd" gegründet, die zunächst die symmetrischen A-style und asymmetrischen F-style Modelle fertigten, später folgten die Mandolen ( H-style) und die Mandocelli ( K-style). Lloyd Loar, dem Nachfolger Gibsons in der Entwicklungsabteilung der Firma, sind etliche Neuerungen zu verdanken, die zur Weiterentwicklung der amerikanischen Instrumente beitrugen: F-Löcher an Stelle ovaler Schalllöcher, Wahl einheimischer Hölzer, Änderung der Bebalkung der Decke, Ausführung der Zargen, Abheben des Griffbretts von der Decke.

Der endgültige Durchbruch kam mit Bill Monroe, der mit seiner Gibson F-5 neue Maßstäbe in der Volksmusik setzte und zum Begründer und Leitfigur der Bluegrassmusik wurde. [51]

F-style mandolin

Dieser Gibsonnachbau zeigt die wesentlichen äußeren Merkmale dieser Bauform. Die F- Bauserie bezeichnete die Instrumente mit asymmetrisch gestaltetem Korpus. Die rechte Seite war mehrfach geschwungen und im oberen Bereich mit Cutawaybuchtung, während die linke Seite in einem Scroll auslief. Die gewölbte Decke (Archtop)mit den beiden F- Schalllöchern war farblich in sunburst gehalten, mit abgestuftem Übergang zum Rand hin, dessen Binding noch einmal in weiß abgesetzt war. Der zweiteilige Steg lässt sich im oberen Teil in der Höhe verstellen, die Decke wird durch eine separate Schlagplatte geschützt. Die Saiten sind an einem massiven unterständigen Halter befestigt und verlaufen über das leicht gewölbte Griffbrett zu einer Kopfplatte mit seitenständigen Wirbeln. Die Mensur dieser Instrumente ist mit 350 - 360 mm etwas größer als bei den herkömmlichen europäischen Modellen.

 

A-style mandolin

Das linke Instrument zeigt eine symmetrische Rundform. Das Instrument verfügt über einen höhenverstellbaren Steg, F-Löcher, Schlagplatte und eine rotfarbene Archtop - Decke. Es ist mit einem zweifach regulierbaren Tonabnehmer (Pickup) ausgestattet und zählt damit zu den halbakustischen Instrumenten, die sowohl mit als ohne elektrische Verstärkung gespielt werden können.

Der Korpus des rechten Instruments mit A-Bauform ähnelt in der Form eher einer Birne. F-Löcher, höhenverstellbarer Steg und Schlagplatte zählen zum Standard dieses Typs. Die Lackierung belässt die Naturfarbe des Deckenholzes, auffallend ist die relativ große Mensur. Auch hier ist die Saitenbefestigung unterständig.

Tonbeispiel [52]

Tonbeispiel [53]

Regal Bell Mandoline

Dieses linke Instrument wurde in der Firma Regal 1928 gebaut. Eine gewisse Zeit zählte sie zu den größten Manufakturen ihrer Art in Amerika. Bekannt geworden ist  sie vor allem auch durch die Produktion von Resonatorgitarren.

Das Instrument zeigt eine ungewöhnliche und sehr flache Form. Die Schulter der rechten Seite fällt sehr stark ab und erlaubt auch das Spiel in sehr hohen Lagen. Die Mensur entspricht der europäischen wie auch das Schallloch, der Steg ist nicht verstellbar, es ist ein rein akustisches Instrument.

Das rechts abgebildete Instrument ist eine Kreation der Firma Martin, die es als Backpacker bezeichnet hat. Wie der Name schon sagt, ist es dazu gedacht, huckepack auf Reisen und Wanderungen mitgenommen zu werden,was durch seinen klein dimensionierten Korpus nicht schwerfällt. Die minimalistische Bauweise hat Auswirkungen auf das Klangvolumen, das Instrument klingt relativ flach.

Tonbeispiel Backpacker [51]

Ovation Mandoline

Dieses elektroakustische (semi-acoustic) Instrument der Firma Ovation gehört zu den neueren Typen der Mandoline. Es leitet seine Form vom Mandolinetto her, besitzt aber ein Cutaway. Der gewölbte Boden besteht aus Kunststoff (Karbon?), in ihn ist eine Aussparung geschnitten, der mit einem Deckel zugeschraubt  ist. Durch ihn kann man von hinten die elektroakustischen Teile erreichen, ohne das Instrument zerlegen zu müssen. Es besitzt nämlich einen Tonabnehmer, der unter dem Steg sitzt, sowie einen Vorverstärker und Regler, die oben auf der Zarge sitzen. Die Saiten sind nicht unterständig, sondern ähnlich wie bei der Gitarre an einem Querriegel befestigt, der auch die Funktion des Steges übernimmt. Mehrere Schallöffnungen sind zu beiden Seiten des Griffbretts aus der Decke ausgebohrt.

Kombinierte Instrumente

Instrumentenkombinationen wurden und werden vor allem im Bereich der Zupfinstrumente in relativ großer Zahl hergestellt. In der Popmusik finden sich zum Beispiel Instrumente, bei denen zwei oder sogar drei Gitarren mit verschiedenen Charakteristiken in einem einzigen Instrument integriert werden. Häüfiger kommt es aber vor, dass zwei unterschiedliche Instrumente kombiniert werden. Diese Praxis war vor allem am Ende des 19. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert in Amerika verbreitet, wo vor allem Streich- und Zupfinstrumente sich in einem Instrument ergänzen sollten. Als Beispiel soll hier das Ukelin erwähnt werden (eine Kombination aus Ukulele und Violine), andere Varianten finden sich in dem Kapitel über Nordamerika.
Auch in Deutschland ließ sich dieser Trend in den genannten Zeiten feststellen. Das linke Instrument wurde in Hamburg 1914 von Rudolf Schatz kreiert und zum Patent angemeldet. Es besteht aus einer Mandoline mit angebauter Zither. Ich habe es deswegen als Mandozither bezeichnet. Der Mandolinteil besteht aus einer achtsaitigen Flachmandoline mit kleiner Mensur (32,5 cm) sowie Mechaniken einer Böhm - Waldzither (oder wie bei der portugiesischen guitarra). Damit zu einem einheitlichen Korpus verbunden ist eine Zither mit 24 Saiten, die mit Steckwirbeln aus Metall gespannt werden können. Die Mensur der Zither liegt zwischen 42,5 und 40 cm. Das Instrument ist nach meiner Meinung allein kaum spielbar, man bräuchte dafür praktisch eine dritte Hand.Vielleicht war es auch für zwei Spieler konzipiert worden.

Das rechts abgebildete Instrument neueren Ursprungs habe ich als Mandolele bezeichnet, weil es aus einer Kombination von Mandoline und Ukulele besteht. Der Schallkörper erinnert in seiner glockenartigen Form an die von Tielke gebauten Cistern ("Hamburger Cithrinchen"), der Boden ist flach. In die Decke eingeschnitten sind zwei F-förmige Schalllöcher, die allerdings gegenläufig angeordnet sind. Die Mensur der Mandoline beträgt 34,5 cm, die der Ukulele 33 cm. Je nach Erfordernis benutzt man abwechselnd entweder das eine oder das andere der beiden Instrumente.