Dung dkar (Schneckenhorn) – De 453
Zu den vier Hauptattributen, welche die hinduistische Gottheit Vishnu in ihren vier Händen hält, gehört neben dem Lotos, dem Rad und der Keule die Schnecke, die auf das Schneckenhorn namens Shanka verweist (Sanskrit: śaṅkha, hindi: śaṅkh, tibetisch: dung dkar). Ferner ist es eines der acht ashtamangalas, der Glückssymbole des Buddhismus, Hinduismus und Jainismus. Das Schneckenhorn ist aus dem Gehäuse der Turbinella rapa (Echte Birnschnecke) hergestellt, die im indischen Ozean lebt. In Tibet bezeichnet Dung (= "Muschel") in Verbindung mit näheren Bestimmungen eine Gruppe verschiedener Hörner/Trompeten (vgl. in unserer Sammlung z.B. rag dung De 515 oder dung chen Lo 74/75).
Der Ton wird mit den vibrierenden Lippen gebildet. Morphologisch kann man das Gehäuse abgesägt und mit Mundstück ausgestattet vom spitzen oder stumpfen Ende her oder mit entsprechender Bohrung auch lateral anblasen. Als natürliche Resonatoren und Verstärkern in einem gehören Schneckenhörner zu den ältesten Instrumenten mit dieser Tonerzeugung. 1931 wurde das älteste als Schneckenhorn interpretierte Fundobjekt in der Höhle von Marsoulas am Fuß der französischen Pyrenäen entdeckt, ein Tritonschneckenhaus (Charonia lampas) mit den Maßen 31 × 18 × 18 Zentimeter. Das Objekt aus dem Magdalénien wird auf ein Alter von ca. 18.000 Jahren datiert. Schneckenhörner finden sich in alten Kulturen von Indien bis zum Mittelmeerraum (bronja auf Malta) und Ostasien (balinesische sungu), als Handels-Import auch in Mitteleuropa oder dem Balkan (bobla in Albanien). In Mittel- und Südamerika waren bis zum Übersee-Kontakt und der Kolonialisierung Schneckenhörner in Gebrauch. Das Mexiko der Azteken und Nahua kannte den Atecocoli (atecuculli). Die Priester der peruanischen Chavín-Kultur im Peru des 1. Jahrtausends v. Chr. glaubten mit dem quechua pututu Macht über das Wasser zu erlangen. Die Form wurde nach Einführung der Kuh in Südamerika in der Spiralform des waqra pututu nachgebildet (vgl. Lo 99 und ähnliche).
Kleine in Nepal hergestellte Instrumente wie das vorliegende werden international als Glücksbringer, Devotionalien oder Esoterikartikel verkauft.
De 453:
Kein Herstellerzeichen
Wohl Nepal, um 1990er Jahre
LBT 58,5 x 24,5 x 7,5 cm
Schneckenhaus mit Messingeinfassung mit floraler Ornamentik
Aquamarin- und (wohl) Jaspis-Einlagen
Integriertes Mundstück
Öffnung: 9 mm
Herkunft: Dr. Marion Franz und Fritz Degel (Blieskastel), Juli 2021
Literatur: Mireille Helffer, Dung (i), in: Laurence Libin, The Grove Dictionary of Musical Instruments, 2nd ed., New York und Oxford: OUP 2014, Bd. 2, 118.
Webreferenz: Hartenberger Institute.
{ow; 2025-10-01}



