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Institut für Musikforschung

Trumscheit/Tromba marina - R 21, De 407

Trumscheit – R 21

Deutschland, 18. Jahrhundert. Ohne Signatur. Decke mit Riegel und Rippen aus Fichte, Zargen und Boden aus sieben Spänen Kirschbaum, am Halsstock angeleimt und gedübelt. Die Standfläche am Korpusende mit einem dreiteiligen Korpusrahmen aus Nussbaum ohne Gegenzarge.

Schwingende Saitenlänge viell. ca. 125 cm, Gesamtlänge 174,3 cm. Korpuslänge 105,2 cm, Korpusbreite oben 11,1 cm, unten 31,4 cm. Halsstock und Hals im Querschnitt halbkreisförmig, zum Korpus zunehmend. Decke, Rippen und Saitenanhang nicht original. Boden aus 7 Kirschbaumspänen, die Fugen verleimt mit Pergamentstreifen (mit lat. Text). Wirbelkasten und Schnecke aus einem Stück Kirschbaum. Halsstock bis Schnecke 69,5 cm. Obersattel aus Kirsche. Steg fehlte 1993, neuer Fichtenholzsteg (GNM, 2007). Wirbel aus einem Griff aus Eisen mit eisernem Steigrad und Sperrklinke. – Das Instrument wurde in der Würzburger Ausstellung "MUS-IC-ON! Klang der Antike" (2019/20) als Beispiel eines Einsaiters über einer Klangstation mit dem Tetrachord U 2 ausgestellt. R 21 wurde 2007 am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg überholt. R 21 wurde am 22. 9. 2021 von Jürgen Schöpf für den Zweck eines Nachbaus neu ausgemessen.

Provenienz: Teilsammlung Ulrich Rück.

Trumscheit (Nachbau) – De 407

Deutschland, 1990er Jahre. – wurde vom Drehleierbauer Kurt Reichmann hergestellt als Nachbau der barocken Form des 17. und beginnenden 18. Jahrhundert. Es verfügt über eine Darmsaite und 13 Resonanzsaiten aus Stahl, die im Innern verlaufen. Eine verschiebbare Scheibe mit Rosette erlaubt den Zugriff auf die Stimmwirbel dieser Saiten. Die Schallöffnung befindet sich am Boden, der Wirbelkasten schließt mit einer Schnecke ab. Auf der Decke befindet sich ein Wirbel, mit dem sich der Abstand des schwingenden Teils des Schnarrstegs zur Decke einstellen lässt. Der Steg ist vor dem Verrutschen auf der Decke mit einer kleinen aufgeleimten Leiste gesichert. – Länge 1,79 m, Breite 43 cm, Höhe 26 cm. Mensur = 1380. – Kurt Reichmann führt ein von ihm gebautes Trumscheit hier vor (Youtube). – Zu Kurt Reichmann der Artikel in der FAZ vom 25. Mai 2013.

Provenienz: Teilsammlung Fritz Degel.


Frühe Formen des Instruments stammen aus dem 12. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert wurde es weiterentwickelt (etwa mit zusätzlichen Aliquotsaiten) ausgestattet. Vor allem im 18. Jahrhundert war das Trumscheit meist nur mit einer einzigen Darmsaite bespannt, die über einen asymmetrisch geschnittenen schuhförmigen Steg zu einem Querriegel läuft und im Kasteninnern verknotet wird. Ältere Darstellungen (14.–16. Jh.) zeigen Instrumente mit zwei gleich langen Saiten. Die Bezeichnung Nonnentrompete kommt daher, dass im deutschsprachigen Gebiet das Trumscheit oft von Nonnen gespielt wurde, weil es Nonnen aus Anstandsgründen verboten war, Blasinstrumente zu spielen. Ein Virtuose auf dem Instrument war Jean-Baptiste Prin, der die Instrumentalmethode Traité sur la trompette marine (1742) veröffentlichte.

Je nach Größe sind zwei Arten der Spielhaltung zu unterscheiden. Der in älterer Zeit gebaute leichtere Typ wird mit dem Wirbelende an die Brust gedrückt, mit der greifenden linken Hand in die Höhe, oder ähnlich einer Trompete geradeaus bzw. schwach abwärts geneigt gehalten. Größere Instrumente werden stets bei über die Schulter gelehntem Wirbelkasten mit dem Fußende auf den Boden gestellt. Gespielt werden Flageolett-Töne, gestrichen wird über zwischen Griffhand und Wirbelkasten. Der trompetenartige Klang resultiert daraus, dass der asymmetrische Steg auf dem Resonanzboden schnarrt.

Nach 1800 war das Instrument nicht mehr allgemein bekannt. Vgl. die lexikalisch angereicherte Partie aus E.T.A. Hoffmanns Roman Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern (Berlin 1820–1822).

"Nun starrte Kreisler hin nach der Wand und sprach mit bewegter, zitternder Stimme: »Wahrhaftig! – Tante Füßchen ragt hervor unter den Nonnen! – Sie ist auf eine Fußbank getreten, um das schwierige Instrument besser handhaben zu können.« – Doch der Geheime Rat trat vor ihn hin, so daß er ihm den Anblick des Schattenbildes entzog, faßte ihn bei beiden Schultern und begann: »In der Tat, Johannes, es wäre gescheiter, du überließest dich nicht deinen seltsamen Träumereien und sprächest nicht von Instrumenten, die gar nicht existieren, denn in meinem Leben habe ich nichts gehört von einer Trompette marine!« –

»O,« rief Meister Abraham lachend, indem er, das Blatt unter den Tisch werfend, den ganzen Nonnenkonvent samt der chimärischen Tante Füßchen mit ihrer Trompette marine schnell verschwinden ließ, »o mein würdigster Geheimer Rat, der Herr Kapellmeister ist auch jetzt, wie immer, ein vernünftiger, ruhiger Mann und kein Phantast oder Haselant, wofür ihn gern viele ausgeben möchten. Ist es nicht möglich, daß die Lautenistin, nachdem sie Todes verblichen, sich mit Effekt auf das wunderbare Instrument verlegte, welches Sie vielleicht noch jetzt hin und wieder in Nonnenklöstern wahrnehmen und darüber in Erstaunen geraten können? – Wie! – die Trompette marine soll nicht existieren? – Schlagen Sie doch nur diesen Artikel gefälligst in Kochs "musikalischem Lexikon" nach, das Sie ja selbst besitzen.«

Der Geheime Rat tat es auf der Stelle und las laut:

»Dieses alte, ganz einfache Bogeninstrument bestehet aus drei dünnen, sieben Schuh langen Brettern, die unten, wo das Instrument auf dem Fußboden aufstehet, sechs bis sieben Zoll, oben aber kaum zwei Zoll breit und in der Form eines Triangels zusammengeleimt sind, so daß das Korpus, welches oben eine Art von Wirbelkasten hat, von unten bis oben verjüngt zuläuft. Eins von diesen drei Brettern macht den Sangboden aus, der mit einigen Schalllöchern versehen und mit einer einzigen, etwas starken Darmsaite bezogen ist. Bei dem Spielen stellt man das Instrument schief vor sich hin und stemmt den obern Teil desselben gegen die Brust. Mit dem Daumen der linken Hand berührt der Spieler die Saite da, wo die zu greifenden Töne liegen, ganz gelinde und ungefähr ebenso wie bei dem Flautino oder Flageolet auf der Geige, während mit der rechten Hand die Saite mit dem Bogen angestrichen wird. Der eigentümliche Ton dieses Instruments, der dem Tone einer gedämpften Trompete gleicht, wird durch den besondern Steg hervorgebracht, auf welchem die Saite unten auf dem Resonanzboden ruhet. Dieser Steg hat beinahe die Gestalt eines kleinen Schuhes, der vorn ganz niedrig und dünne, hinten hingegen höher und stärker ist. Auf dem hintern Teile desselben liegt die Saite auf und verursacht, wenn sie angestrichen wird, durch ihre Schwingungen, daß sich der vordere und leichte Teil des Steges auf dem Sangboden auf und nieder bewegt, wodurch der schnarrende und der gedämpften Trompete ähnliche Ton hervorgebracht wird!« –

»Baut mir ein solches Instrument,« rief der Geheime Rat mit glänzenden Augen, »baut mir ein solches Instrument, Meister Abraham, ich werfe meine Nagelgeige in den Winkel, Berühre nicht mehr den Euphon, sondern setze Hof und Stadt in Erstaunen, auf der Trompette marine die wunderbarsten Lieder spielend!« –"

Literatur: Eschler 1993.

{2021-09-24} ow