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Institut für Musikforschung

Pluriarcs (2025)

Das Verbreitungsgebiet der Pluriarcs ist Afrika südlich der Sahara, wobei sie vor allem im zentral- und westafrikanischen Bereich als integraler Bestandteil lokaler Musiktraditionen gedient haben.

Infolge des transatlantischen Sklavenhandels im Verlauf des 16. Jahrhunderts kam es unter anderem dazu, dass Elemente der afrikanischen Musikkulturen nach Mittel- und Südamerika gelangten. So wurden Pluriarcs in Brasilien und in städtischen Gebieten Zentralafrikas noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendet. Die weite Verbreitung dieses Instruments in West- und Zentralafrika lässt sich unter anderem auf den Kongofluss als Schifffahrtsroute im 19. Jahrhundert zurückführen. AUf diesem Weg wurden auch andere etablierte Saiteninstrumente, etwa Harfen, weiterverbreitet, die die Pluriarcs ersetzten.

Über aktuelle Spielpraktiken der Pluriarcs ist wenig bekannt. Es ist zu vermuten, dass sie in kleineren Ethnien im ländlichen Raum teils noch verwendet werden. Aufgrund der weiten geographischen Verbreitung der Pluriarcs lässt sich keine allgemeingültige Aussage über die Spielweise tätigen. So besitzt das Instrument bei den Vili im Südwesten Gabuns und der Republik Kongo eine magisch-spirituelle Bedeutung, da sie sowohl bei religiösen Tänzen als auch bei Trauerzeremonien eingesetzt werden. Die Anwendung der Pluriarcs bei Zeremonien ist in mehreren Ethnien gängige Praxis. So etwa auch in kleineren bantusprachigen Ethnien (Humbi und Handa), wo die Begleitung der Gesänge mit einem achtsaitigen Pluriarc erfolgt. Dieses Instrument wird auch als Pluriarc cihumba bezeichnet und ist durch eine offene Bodenseite des Holzkorpus charakterisiert. In anderen Kulturen werden Pluriarcs auch bei der Jagd verwendet oder bei der Heilung von Kranken.

Musikbeispiel 12 aus Wegener 1984 (Teil. cushwe. Lied, begleitet auf der cihumba-Bogenlaute der Humbi. Sänger: Warepa; Bogenlautenspieler Chweyenge Chirongo. 17. Juli 1965 im Dorf Kalingiri in West-Angola aufgenommen von G. Kubik).

Heute sind zwei- bis neunsaitige Ausführungen des Instruments bekannt, wobei vor allem fünf- und achtsaitige Pluriarcs im Gebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo weit verbreitet waren. Der Resonanzkörper besteht meist aus einem ausgehöhlten Holzstück mit einer angenagelten Holzdecke, die teilweise überstehend geformt wird. Teilweise wurden die Ränder zwischen der Decke und dem Holzkorpus mit Pflanzenmaterial in Kombination mit Harz abgedichtet, um Stabilität zu gewährleisten. Eine andere Möglichkeit war, die Decke mit Fasern auf den Korpus festzuschnüren, wie es die Ovambo im Süden Angolas taten. Die Form des Korpus ist ebenfalls variabel, teilweise ist er nach oben spitz zulaufend, manchmal allerdings auch kastenförmig.
Aufgrund der oft spirituellen Bedeutung der Pluriarcs werden sie auch entsprechend verziert. Die Decke bietet Raum für eine Vielfalt von Mustern und Symbolen.

Literatur:
Bernhard Ankermann, Die afrikanischen Musikinstrumente (Phil. Diss. Univ. Leipzig), Berlin 1901, S.  18–21 (Gruppe VIa–c).
Jean-Sébastien Laurenty: Les cordophones du Congo Belge et du Ruanda-Urundi, Tervuren 1960, Vol. 1 (Texte), S. 33–67; Vol. 2 (Planches et Cartes), Pl. XI–XXII.
Ulrich Wegner: Afrikanische Saiteninstrumente, Berlin: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz 1984, S. 82–92.
Gerhard Kubik, Moya Aliya Malamusi, András Varsány: Afrikanische Musikinstrumente. Katalog und Nachdokumentation der Musikinstrumente aus Afrika südlich der Sahara in der Sammlung Musik des Münchner Stadtmuseums, Berlin: Nicolai 2014, S. 207–211.

Instrumente:
De 478, De 539, De 588
Herkunft: Gestiftet von Fritz Degel (Blieskastel), 2022

Text: Jason Ackermann