Deutsch Intern
Institut für Musikforschung

Digitaler Rundgang: Station 1

Exotisierende Gesichter

In der populären Musik stehen die individuellen Musiker*innen im Zentrum aller Vermarktungsstrategien und werden deswegen regelmäßig in Detailaufnahmen auf Covern abgebildet. Diese Methode wurde auf Weltmusik-Produktionen übertragen, allerdings mit einigen Änderungen.

Ist es ein Zufall, dass uns kaum eine Person auf diesen Covern anschaut? Die meisten sogar ihre Augen geschlossen haben? Warum sind Weltmusiker*innen nicht so gestylt und in professionelles Licht gesetzt wie ihre westlichen Kolleg*innen? Soll ihre Armut oder Bodenständigkeit inszeniert werden? Warum verweisen die Bildhintergründe auf eine natürliche oder kulturhistorische Umgebung? Und warum wird bei der Frau, die aus dieser Reihe herausfällt, auf ihre sexuelle Attraktivität verwiesen?

Die Vermarktung der Musik über die Gesichter der Musiker*innen birgt immer die Gefahr einer Exotisierung und Reproduktion von kolonialen Machtverhältnissen.

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Naturbelassene Instrumente

Nicht-westliche Musiktraditionen unterscheiden sich durch die Andersartigkeit ihres Klanges und die Verwendung von anderen Instrumenten. Zahlreiche Weltmusik-Cover thematisieren diese unbekannten, außergewöhnlichen und teilweise kostbaren Instrumente und ihren künstlerischen Einsatz. Die Absicht ist, den Reichtum nicht-westlicher Musikkulturen darzustellen. Dennoch steckt in den meisten Bildern eine darüber hinausgehende Aussage.

Werden die Instrumente nur folkloristischen Stilen zugeordnet oder existieren in anderen Kulturen auch repräsentative Musikstile, die mit weltlichen oder religiösen Autoritäten in Verbindung stehen? Sind Weltmusik-Instrumente ebenso kostbare Gegenstände wie westliche Orchesterinstrumente? Treten alle Musiker*innen ohne technische Verstärkung auf? Warum nimmt der Boden, die Erde oder die Landkarte eine so zentrale Stellung auf den Plattencovern ein? Finden Musikaufführungen immer nur unter freiem Himmel statt? Warum wird ausgerechnet ein Musiker anders inszeniert?

Die Vermarktung von Weltmusik über die Andersartigkeit der Instrumente birgt immer die Gefahr einer Archaisierung und einer Reproduktion der Idee unterschiedlicher Entwicklungsstufen von Musikkulturen.

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Atemberaubende Landschaften

Weltmusik-Produktionen stammen aus Gegenden der Welt, die in der westlichen Welt oft nur als touristische Reiseziele bekannt sind. Es erscheint zunächst logisch, unbekannte Musiker*innen mit ihrer Herkunftsumgebung vermarkten zu wollen, zumal wenn diese über besondere ästhetische Qualitäten verfügt. Die Zuschreibung von Klang zu einer bestimmten Landschaft kann allerdings stereotype Vorstellungen verstärken.

Warum werden die Landschaften auf den Covern vor allem aufgrund ihrer Schönheit ausgewählt und mögliche Gefahren für den Menschen sowie die agrarkulturelle Nutzung durch die Gesellschaften verschwiegen? Worin genau besteht der Zusammenhang zwischen Bergen, Wasser, Wäldern, Architektur und dem Klang der Musiken? Was hat beispielsweise arabische Musik mit den altägyptischen Kunstdenkmälern zu tun? Soll Weltmusik vor allem mit Natur, einfacher Lebensweise oder Geschichte verbunden werden im Gegensatz zu westlichen Musikproduktionen, die für technologisierte und sogenannte „entwickelte“ Gesellschaften stehen?

Die Vermarktung von Weltmusik über die Andersartigkeit der Regionen, aus der sie stammt, birgt immer die Gefahr einer
Orientalisierung von Kulturen und der Reproduktion eines Kulturgefälles.

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