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Institut für Musikforschung

Praetorius

 

Instrumentensystematik nach Michael Praetorius

De Organographia (1619)

Michael Praetorius wurde im thüringischen Creuzberg geboren (Geburtsjahr vermutlich 1571) und wuchs als jüngstes Kind in einer streng lutherischen Familie auf. Seine Schullaufbahn begann mit dem Besuch der Torgauer Lateinschule. Hier erhielt er neben Unterweisungen in den alten Sprachen auch seinen ersten Musikunterricht, an dem er bereits großes Interesse zeigte. 1583 nahm er ein Theologie- und Philosophiestudium an der Universität in Frankfurt an der Oder auf. Kurz nach dem Tod seines Bruders Andreas Praetorius, der für seinen Lebensunterhalt aufkam, trat er eine Organistenstelle an der Universitätskirche St.Marien an. Hier sammelte er erste Erfahrungen, die sich später als nützlich erweisen sollten, denn 1595 kam er in den Dienst des Herzogs Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg. Dort betätigte er sich zunächst als Kammerorganist, später auch als Hofkapellmeister.

1596 wurde der Bau einer prunkvollen Orgel von David Beck in der Gröninger Schlosskapelle fertiggestellt. Anlässlich dieses Ereignisses lud der Herzog verschiedene Organisten aus ganz Deutschland ein. Auch Michael Praetorius nahm an diesem Treffen teil. Ihm wurde anschließend die Verantwortung für Pflege und Gebrauch des Instruments übertragen. Zur Reparatur und weiteren Baumaßnahmen kam der Orgelbauer Esaias Compenius an den Hof, der 1605 fest in den Dienst Heinrich Julius’ trat. Zwischen ihm und Praetorius entwickelte sich eine lang anhaltende Freundschaft.

Neben der Pflege und des Spiels der Orgel hatte Praetorius noch andere Aufgaben: die Leitung der Hofkapelle, Tafelmusik, Musik zur Unterhaltung, die musikalische Gestaltung von Festen, das Erteilen von Instrumentalunterricht und das Komponieren, was er umfangreich betrieb. Eines seiner ersten Werke sind die Musae Sioniae, eine Reihe von 52 Vertonungen lateinischer und deutscher Kirchentexte.

Nach dem Tod von Heinrich Julius am 20. Juli 1613 hielt sich Praetorius nicht mehr bloß in Wolfenbüttel und Gröningen auf, sondern an mehreren Fürstenhöfen (u.a. in Dresden, Naumburg, Leipzig und Kassel). Neben seinen alltäglichen Pflichten widmete er sich nun auch zunehmend der theoretischen Ergründung seiner praktischen Arbeit, indem er zum Beispiel Einleitungsschriften zu seinen Werken verfasste. Außerdem begann er Studien zu betreiben, die ihn zum Verfassen eines Kompendiums veranlassten.

Dieses Kompendium mit dem Titel Syntagma musicum besteht aus drei Bänden, die in den Jahren 1614/15 bis 1618/19 erschienen sind. Der erste Band ist in lateinischer Sprache verfasst und stellt die geistliche und weltliche Musik in ihrer historischen Entwicklung dar. Im zweiten Band namens De Organographia widmet sich Praetorius der Systematisierung und Beschreibung von alten und neuen sowie einheimischen und ausländischen Instrumenten.  Der dritte Band, Termini musici genannt, ist eine Sammlung musikalischer Begriffe und Erscheinungen, die Praetorius ausführlich erläutert. Außerdem findet sich darin eine Erklärung des zu dieser Zeit neu aufgekommenen Generalbasses. Ein vierter Band über Kompositionslehre war ebenfalls geplant und fertiggestellt worden, ist aber leider verschollen.

De Organographia setzt sich aus fünf Teilen zusammen. Nach einem ausführlichen Vorwort werden im ersten Teil die Instrumente allgemein und grundlegend systematisiert. Im folgenden Teil werden zwei Instrumentengruppen, nämlich die Blasenden und Besaitteten, ausführlich betrachtet und geordnet. An die Beschreibungen einzelner Instrumente schließen sich Tabellen, die den Stimmumfang der jeweiligen Instrumente angeben. Den dritten und vierten Teil widmet Praetorius einer umfassenden Darstellung der alten und neuen Orgeln, was nicht nur seine Affinität zu dieser Instrumentenart sondern auch ihren besonderen Status verdeutlicht. Auf die bedeutendsten Orgeln in Deutschland geht er detailliert im letzten Teil des Buches ein. Im Anhang befinden sich ein Verzeichnis mit Namen von Musikern und aller im Buch erwähnten Instrumente sowie Holzschnitt-Abrisse derselben (Theatrum Instrumentorum).

Die pfeifenden Instrumenta

Die Tonerzeugung der pfeifenden Instrumenta erfolgt durch Luft, die mittels Blasebalg in Pfeifen geleitet wird. Tasten aktivieren diesen Mechanismus. Zu den pfeifenden Instrumenta zählen Orgel, Positiv, Regal und das sogenannte Organum portatile. Hierbei handelt es sich um ein mobiles Positiv.

Die blasenden Instrumenta

Diese Instrumentengruppe wird durch Anblasen zum Klingen gebracht. Im Unterschied zu den pfeifenden Instrumenta wird der Ton durch den menschlichen Atem erzeugt und nicht mechanisch. Praetorius unterscheidet hierbei Instrumente, die nur durch Anblasen zum Klingen gebracht werden und solche, die zusätzlich noch mit den Fingern oder Händen gespielt werden müssen. Nur durch Anblasen erklingen etwa Hörner und Trompeten.

ohne Löcher

In diese Kategorie fällt nur das Zuginstrument Posaune.

mit Löchern

Die Löcher können entweder nur vorne, vorne und hinten, oder vorne, hinten und an den Seiten des Rohres sein. Bei den Instrumenten, deren Löcher nur vorne sind, gibt es solche mit Luftsack (Schaforgel oder Schäferpfeife) und ohne Luftsack (Querflöte, Schalmei, kleine Altbombarde). Instrumente mit Löchern vorne und hinten sind Zinken, Krummhörner, Blockflöten, Dulziane, Fagotte, Pommern, Hümmelchen etc. Rackette, Sordune, Doppione und Schreierpfeifen haben vorne, hinten und an den Seiten Löcher.

Instrumenta percussa

ohne Saiten

Diese Instrumente erklingen ausschließlich durch Schlagen. Die weitere Untergliederung erfolgt über das Schlagwerkzeug. Pauke, Trommel, Triangel und Strohfidel werden durch eiserne oder hölzerne Schlägel zum Klingen gebracht. Glocken, Glöcklein, Zymbeln, Röllchen und Schellchen jedoch durch Klöppel oder Kügelchen.

mit Gedärmsaiten

Unter diesen gibt es Intrumente, die nur mit den Fingern gegriffen und gezupft werden, wie Lauten, Theorben, Quintern, Psalterium und Harfe. Instrumente, die zusätzlich noch durch Streichen eines Bogens zum Klingen gebracht werden, sind verschiedene Arten der Lyra, Viola da Gamba, Violinen und Trumscheide. Die gemeine Lyra hingegen hat ein Rad, das die Saiten zum Schwingen bringt. Dieser Mechanismus wird durch Tasten aktiviert.

mit Saiten aus Metall oder Stahl

Zu diesen Instrumenten gehört die Irländische Harfe, die mit den Fingern „geschlagen“ wird. Die Zither wiederum wird mit einem Federkiel (Plektrum) gespielt. Weiterhin gibt es Instrumente, deren Saiten mit Rabenfedern, die in hölzerne Tangenten eingefügt sind, zum Schwingen gebracht werden. Dazu gehören unter anderem Cembalo, Virginal und Spinett. Mit hölzernen Klöppeln geschlagen wird das Hackbrett, das die Letzte dieser vier Unterkategorien bildet.

(Zusammenfassung: Jasmin Hartmann und Petra Pelz)

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Register: Übersicht der Instrumente in Praetorius' De Organographia

1. Alt Positiff mit einerley Pfeiffen, und dreyen Registern
2. Orgel: Rückpositiff
3. Nürnbergisch Geigenwerck
4. Positiff
5. Regahl
6. Groß Contra-Baßgeig
7. Lange Romanische Theorba
8. Groß Cither
9. Groß Sackpfeiff
10. Clavicymbel, ein Quart tieffer
11. Octav-Posaun
12. Groß Quint-Pommer
13. Groß Baßgeig. Violone
14. Groß zwölff Chöricht Cither, Dominici
15. Sechs Chörichte Zitter
16. Posaunen allerley Art, groß und klein
17. Zincken: Cornetten allerley Art: klein und groß
18. Trommet
19. Jäger Trommet
20. Hölzern Trommet
21. Krumb Bügel
22. Blockflöitten gantz Stimmwerck
23. Doltz flöit
24. Querflöten gantz Stimmwerck
25. Schweitzer Pfeiff
26. Stamentien Pfeiff
27. Klein Päucklein
28. Sordunen Bass
29. Fagotten allerley Art, klein und groß
30. Racketten Stimmwerck
31. Groß Rackett
32. Bombarden oder Pommern allerley Art, groß und klein
33. Discant-Schalmey
34. Klein-Schalmey
35. Grosser Bock
36. Schaper-Pfeiff
37. Hümmelchen
38. Dudey
39. Bassanelli Stimmwerck
40. Schryari Stimmwerck
41. Kortholt
42. Sordunen Stimmwerck
43. Basset-Pommer: Nicolo
44. Krumbhörner, Stimmwerck
45. Cornetti muti
46. Sackpfeiff mit eim Blaßbalg
47. Spinetten, Virginahl; oder Instrument
48. Octav-Instrumentlin
49. Clavicytherium
50. Clavichordia: etlicher Art
51. Theorba Paduanisch
52. Laute mit Abzügen
53. Chor-Laute
54. Quinterna
55. Mandörchen
56. Sechs Chörichte Chor Cithern
57. Englisch Citherlein
58. Klein Geig; Posche
59. Bandoer.
60. Orpheoreon
61. Penorcon
62. Italianische Lyra-Groß
63. Gemeine Harff
64. Irrlendische Harff
65. Hackebrett
66. Groß Doppel-Harff
67. Violen de Gamba
68. Viol-Bastarda
69. Lyra de Bracio
70. Geigen allerley Art: groß und klein
71. Trumscheidt
72. Scheid Holt
73. Bawren-Lyren
74. Schlüssel-Fiddel
75. Stroh-Fiddel
76. Jäger-Hörner
77. Triangel
78. Singekugel
79. Moren Päucklein
80. Glocken
81. Zimbeln
82. Schellen
83. Heerpaucken
84. Soldaten Trummel
85. Schweitzer Pfeifflin
86. Amboß
87. Gar Grosse Manual-Clavier in gar Alten Orgeln
88. Manual- und Pedal-Clavier in grossen Alten Orgeln
89. Blaßbälge und Calcanten in den gar Alten Orgeln
90. Grosse Clavier in den Alten Orgeln
91. Satyri-Pfeiffen
92. Allerley Americanische, Türckische, Moscowitische, und Indianische Instrumenta
93. Der Alten Instrumenta: Chorus. Psalterium. Decachordum. Cithara
94. Tympanum/Psalterium Hieronimi. Und andere Sachen.
95. Organum/Fistula/Cymbalum Hieronimi
96. Alte Fidel
97. Groß Clavier so in der grossen Alten Orgel im Thumb zu Magdeburg gewesen.
98. Zwey New erfundene Instrumenta, daß Eine in gestalt eines Hackebrets, daß Ander in gestalt einer Harffen
99. Allerley Orgel Pfeiffen, als, Principal. Octaven. Quinten
100. Quintadenen: Nachthörner
101. Gedacten
102. Gemßhorn. Spillflöite
103. Block- und Querflöiten
104. Klein Monochordum
105. Noch anderer Art Orgel-Pfeiffen und Flöiten
106. Allerley Schnarr- oder Zungenwercke: Als Trommet. Krumbhorn. Schalmeyen. Sordunen. Rancket. Regahl-Pfeiffen. Bäer Pfeiffen
107. Monochordium: recht just und richtig abgetheilet
108.109.&c. Instrumenta nach Laurentii Pignorii Patavini De Servis, & eorum apud veteres ministeriis […] Augsburg 1613: Cymbala. Tympana. Lyrae. Psaltria. Barbita. Sambuca. Vtriculus. Crotalum. Tibiae. Fistulae. Cicuta.